180°

Jax lief durch die Gänge der Schule. Sein Ziel war die Bibliothek. Warum er sich das antat wusste er allerdings nicht!
Er warf den Schülern die ihm entgegen kamen böse Blicke zu. Es war Freitag Nachmittag, der reguläre Schulunterricht war vorbei und dennoch war die Lernerei nicht vorbei.
Es galt einen Vortrag für nächste Woche Freitag vorzubereiten. Er konnte sich eine schönere Beschäftigung für seine Freizeit vorstellen - so ziemlich alles.
Er erreichte die Bibliothek, der Treffpunkt mit seiner Partnerin, der niemand anderes war als Aurora.
Das hätte ihm bis vor 3 Tagen wohl nichts ausgemacht, doch nun, da er sein Gedächtnis zurück hatte - wusste er warum er sich jeden anderen lieber wünschte für dieses Projekt.

Es gab Tage, die würde man am liebsten sonst wohin schmeißen. Dieser Freitag gehörte eindeutig dazu. Ein Wunder, dass heute nicht Freitag, der 13., war. Denn so fühlte es sich an. Alles lief drunter und drüber. Mal abgesehen davon, dass sie heute sich das Müsli über den Schoß gekippt hatte und hingefallen war, musste sie auch noch mit ... Jax einen Vortrag ausarbeiten. Jeden hätte sie sich gewünscht. Selbst Kay. Aber nein, es musste ausgerechnet Jax Fox sein. Er konnte sie nicht leiden und sie ihn nicht. Die Antipathie ruhte also auf Gegenseitigkeit.
Der Unterricht war also nun vorbei und die Rothaarige schlenderte gemächlich Richtung Bibliothek. Dort hatten sie sich verabredet, um endlich den Vortrag in Geschichte ausarbeiten zu können. Ihre Hand glitt zur Tür der Bibltiohek. Einmal atmete sie noch tief ein, bevor sie sie öffnete und eintrat. Hier drinnen roch es muffig nach den alten Büchern. Die Regale erreichten fast die hohe Decke. Viel fehlte nicht mehr. Diese Bibliothek war einer der größten seiner Zeit. Ein Wunder, dass diese gerade in der Magic Thoughts war. Mit langsamen Schritten ging sie die Regale entlang, fuhr mit ihren Fingerkuppen über die alten Buchrücken und zog hier und da ein Buch heraus, wo sie glaubte, dass könnten sie gebrauchen. Zum Schluss schaffte sie es gerade so, über die zahlreichen Bücher auf ihrem Arm zu schauen. Mit schleppenden Schritten erreichte sie den Tisch, an welchem bereits Jax saß. Mit einem lauten Knall ließ sie sie auf den Tisch fallen. Welch eine Erleichterung für ihre dünnen Arme, wo mehr Haut als Muskeln waren. "Hey." grüßte sie ihn knapp und setzte sich ihm gegenüber, holte aus ihrer kleinen Tasche Schreibzeug und einen Block heraus.

Jax sah auf als Aurora ein Buch auf den Tisch fallen ließ.
Er runzelte die Stirn sagte aber nichts weiter dazu. "Hey.",sagte er schon leicht grummelig.
Jax warf einen Blick zu einem Jungen der an einem zweiten Tisch aß, nicht weit von ihnen entfernt. Er schien in ein Buch mit schwarzen Einband vertieft.
Er sog tief die Luft ein und gabsich im Innern einen Ruck. Er sah auf das Buch, welches Aurora mitgebracht hatte. Er hatte schon wieder völlig vergessen, welches Thema ihre Gruppe aufgehalst bekommen hatte.

"Danke, dass du mir ein paar Bücher abgenommen hast, als ich gekommen bin." erwiderte sie giftig und schnaubte einmal kurz. Für ihn gab es eigentlich keinen Grund so grummelig zu sein. Überhaupt keinen. Niemand konnte was dafür, dass gerade die beiden als Partner zusammenarbeiten mussten. Wenigstens das Thema war interessant. Die Entstehung der Magic Thoughts. Da konnte man viel erzählen und notfalls konnte sie auch Betty noch fragen oder einer der anderen Lehrer wie zum Beispiel Darren. "So, lass uns anfangen." schlug sie mit einem kühlen Unterton fort und fixierte ihn mit ihren hellen Augen, kniff leicht ihre Augen zusammen. Sie fasste nach einem Buch von den vielen, die sie mitgebracht hatte, und blätterte lustlos darin herum. Hoffentlich fanden sie etwas zu dem Thema in denen, sonst hätte sie sozusagen umsonst hier gesessen und wertvolle Zeit mit JAx verschwendet.

Jax biss die Zähne zusammen. Er griff sich irgendein Buch und fing an darin zu blättern.
Blind - er hatte keine Ähnung wonach er suchte oder wonach er Ausschau halten sollte.
Wütend über ihren dummen Spruch, die allgemeine Situation und die Tatsache, dass er hier fest saß blätterte er die Seiten fester um als es nötig gewesen wäre.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und warf seiner Umgebung über den Buchrand hinweck immer wieder flüchtige Blicke zu.
Er suchte nach einer Uhr, konnte aber keine entdecken.

Das arme Buch. Genervt stöhnte Aurora auf. "Man, das Buch kann nichts für deine schlechte Laune." bemerkte sie bissig und klappte ihres zu. "Du kannst auch einfach gehen und ich sag, dass ich den Vortrag gemacht habe. Allerdings wirst du dann eine schlechte Note dafür kassieren." schlug sie ihm vor und seufzte leise. Die Möglichkeit wäre ihr natürlich am liebsten. So hätte sie Jax dann endlich los und könnte in Ruhe weiterarbeiten. Partnerarbeit war eh dämlich, weil man manchmal das 'Glück' hatte, jemanden zu erwischen, den man erstens nicht leiden konnte oder zweitens der einfach nichts tat.

Jax schlug das Buch zu und warf es auf den Tisch. Der dumpfe Knall, der dabei entstand, ließ den Jungen am Nebentisch zusammenzucken.
"Hey, was ist dein Problem?!", sagte er wüntend, aber dennoch leise. Er wusste um die neue, ziemlich exzentrische, Bibliothekarin. Doch wenn sie weiter so eine Laune schob und sie anihm ausließ, wusste er nicht wie lange er sich noch zurück halten konnte.

Super. Bekam sie jetzt etwa die Schuld für seine schlechte Laune, oder was? Aurora zuckte kaum merklich zusammen, als der dicke Wälzer auf dem Tisch aufprallte und es einen dumpfen Knall gab. Kein Wunder, wenn sie beide rausgeschmissen werden würden. Wütend funkelten ihre grünen Augen und schienen ihn förmlich zu durchbohren. "Mein Problem? DU hast doch hier ein Problem und zwar ein gewaltiges Problem." knurrte sie ihn leise an. "Du bist doch hier missmutig und schlecht gelaunt. Hälst es ja nicht mal für nötig, mir beim Büchertragen zu helfen. Also bevor du mir sagst, dass ich ein Problem habe, solltest du erstmal bei dir schauen." Ein kurzer abschätziger Blick und dann öffnete sie wieder ihr Buch, um nach wichtigen Informationen Ausschau zu halten.

"Oh - hat unser Prinzesschen etwa keine Kraft um ein paar Bücher zu tragen?!", knurrte Jax und funkelte Aurora an.
Er hatte ein Problem? Wusste sie mehr als er?! ... Nun ja vielleicht, sein Problem saß ihm hier gegenüber.
Jax betrachtete Aurora finster. Seine Laune fiel von Minute zu Minute immer weiter.
Er war zu müde um sich zu streiten, aber Aurora machte ihn wütend - mal wieder.
Er verschränkte seine Arme vor der Brust. Er spürte wie ihm heiße Luft in die Lungen stieg, sie schien ihn von innen her zu verbrennen, seine Luftröhre hoch zu steien. Unaufhaltsam.
Er wusste, wenn er jetzt noch etwas sagte würde er laut werden.

"Nein, ich habe keine Kraft in den Armen. Dir hat man absolut keine Manieren beigebracht. Ein Junge sollte eigentlich einem Mädchen helfen, wenn es Hilfe benötigt." fauchte sie ihn an. Wenn er glaubte, sie würde einfach so nachgeben und aufhören zu streiten, dann irrte er sich aber gewaltig. Aurora kam gerade erst richtig in Fahrt. Aurora versuchte sich zu beruhigen. Versuchte tief ein und auszuatmen. Denn würde sie sich nicht beruhigen, würde er gleich qualvoll und stöhnend vor Schmerzen am Boden liegen. Ihre Hände fingen bereits anzuzittern. Kein gutes Zeichen.

"Ja vielleicht - aber Gedankenlesen war noch nie meine Stärke!", zischte er sie an.
In seine Augen trat ein leichtes Glimmen, wie ein Feuer das entfacht wurde.
"Ich dachte du wärst so eine Feministin! Entscheide dich für eine Rolle: das schwache Mädchen oder die starke Frau!"
Seine Stirn lag in tiefen Falten, er unterdrückte mit Mühe seinen Feueratem der ins einem Innern brodelte.

"Dazu brauch man nicht unbedingt Gedankenlesen zu müssen. Es war offensichtlich." knurrte sie ihn an und verschrenkte ihre Arme vor ihrem Oberkörper. Wie dumm Jax doch war. Noch dümmer als sie geglaubt hatte. Jeder hätte ihr geholfen. Ausnahmslos jeder. Also hätte Jax es auch sehen müssen. "Wer sagt, dass ich eine Feministin bin? Nur weil ich dich als unhöflich empfinde?" Dass sie sich für eine Rolle entscheiden sollte, ignorierte sie geflissentlich. Es war so schwer, die Kontrolle zu behalten. So schwer, ruhig zu bleiben.

"Ach - ohne dich zu sehen war es offensichtlich?! Natürlich, ich habe Augen im Hinterkopf und konnte erahnen wieviele Bücher du dabei hast - genau. Gut zu wissen das du wohl soetwas kannst - außer Leute zu tode foltern ... natürlich ...", schleuderte er ihr fast schon entgegen.
"Warum nimmst du denn auch mehr Bücher als du tragen kannst?! Vielleicht solltest du aufhören dich auf andere zu verlassen - und wenn deine Meinung zu mir so sicher feststeht, hättest du dir dann nicht denken können das ich dir nicht helfe?", diesen letzte Satz sagte er in so purem Sakasmus, dass es fast schon weh tat.
Er sah richtung Tür. Der Druck in seinem Brustkorb ließ nach - langsam ...
ruhig atmen - einfach ruhig atmen ....

"Aber du hast doch Ohren, oder irre ich mich da etwa?" Seine Worte verletzten sie. Wie ein Faustschlag ins Gesicht fühlten sie sich an und sie merkte, wie sich etwas in ihr regte. Etwas in ihr in tausend kleine Einzelteile zerbrach. Ohne zu bemerken, was geschah, färbten sich ihre Augen ganz langsam schwarz. Ein gefährliches Schwarz, welches man nie unterschätzen sollten. Ruhig bleiben. Das ist es doch, was er will. Dich reizen. Für einen kurzen Augenblick schloss sie die Augen, versuchte sich zu sammeln. "Damit ich am Ende nicht nocheinmal gehen muss." sagte sie leise, gefährlich ruhig und öffnete im gleichen Atemzug ihre nun wieder grünen Augen. "Ich habe sonst nicht so viel mit dir zu tun. Wie hätte ich denn da ahnen können, dass du so schrecklich unhöflich zu Mädchen bist?"

Jax schnaupte. ihre Augenfarbe hatte er nicht bemerkt. Er sah noch immer demonstrativ an ihr vorbei.
"Ich habe dich nicht gehört - was wohl daran liegt, dass du nicht gerufen hast!"
Er warf ihr einen kalten Blick zu und fügte dann noch hinzu: "Und mal abgesehen davon bin ich nicht unhöflich - ich bin ehrlich ... warum sollte ich jemanden helfen, der mich nicht mag und den ich nicht mag?! Das macht irgendwie keinen Sinn oder?!"
Wir streiten uns doch jetzt hier nicht im Ernst darüber warum ich hier nicht helfe oder?! Das ist lächerlich!

"Dann solltest du vielleicht mal zum Ohrenarzt gehen." schlug Aurora betont ruhig vor. Innerlich brodelte sie heftig wie ein Vulkan, der kurz vor'm Ausbrechen war.Nicht mehr lange und sie würde explodieren und es würde sehr schmerzhaft für ihren Gegenüber enden. "Ich finde, man kann auch jemanden helfen, den man nicht mag." schnaubte sie. "Ich habe aber keine Lust, weiter mit dir hier rumzudiskutieren. Ich möchte nun endlich diesen dämlichen Vortrag zu Ende machen." Und dann schleunigst verschwinden.